Geschichte der Stadtgemeinde

Es gibt viele archäologische Nachweise dafür, dass das Gebiet des heutigen Oberpullendorf auf eine 7000-jährige Siedlungsgeschichte zurückblicken kann.

 

Im Oberpullendorfer Becken betrieben bereits die Kelten (500 v. Chr.) und danach die Römer eine bedeutende Eisenindustrie, wie der Schauraum „Ur- und frühgeschichtliche Eisenindustrie“ im Gemeindeamt Oberpullendorf eindrücklich unter Beweis stellt.

Ende des 10. Jahrhunderts

Die Ursprünge der Stadt entstanden Ende des 10. Jahrhunderts aus einer ungarischen Grenzwächtersiedlung. Da wundert es nicht, dass Oberpullendorf – neben der Wart im südlichen Burgenland – die einzige geschlossene ungarische Volks- und Sprachinsel des österreichischen Bundesgebietes darstellt. Kroatischsprechende haben sich längst hinzugesellt und es entwickelte sich ein buntes Sprachengemisch, das bis heute gepflegt wird.

Das Stadtwappen

Wappenbeschreibung: „Auf rotem Schild eine goldene Stadtmauer mit goldenem Tor und aufgezogenem Fallgitter, darüber vorne ein nach rechts gerichteter, mit goldenem Schwert bewaffneter, goldener Löwe, hinten eine von zwei goldenen Ähren begleitete goldene Pflugschar.“

Der Oberpullendorfer Krebs und die „Krebsler“

Schon „Drinoczy´s Nachlese“*, eine bis zum Jahre 1833 reichende Chronik über den ehemaligen Marktflecken Mitterpullendorf, berichtet, dass der Stooberbach nicht nur genügend Wasser für den Betrieb von Mühlen führte, sondern auch reich an wohlschmeckenden Krebsen war.

 

Flusskrebse wurden damals in großen Mengen allgemein in der Küche verbraucht. Sie wurden als angenehmes Nahrungsmittel sehr geschätzt und durch mannigfaltige Zubereitung in feine und beliebte Speisen umgewandelt. Daher stellten sie auch ein gesuchtes Handelsgut dar und waren neben dem Vogelfang(!) ein zusätzlicher Erwerbszweig für die Oberpullendorfer, zumal es unter den Ortsbewohnern auch geschickte Händler gab, deren Handelsbeziehungen bis an den Hof König Nikitas von Montenegro reichten.

 

Noch im vergangenen Jahrhundert, vor allem in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen und den Jahren danach, landeten Krebse aus Oberpullendorf unter anderem auf den Wiener Märkten. Es konnte daher nicht ausbleiben, dass die Bewohner der umliegenden Ortschaften, aber auch die Wiener Kunden, immer öfter den Begriff „Krebsler“ verwendeten, wenn sie von den Oberpullendorfern sprachen. Natürlich war die Bezeichnung des Öfteren abwertend gemeint, wie es bei Spitznamen eben so üblich ist.

 

Im Laufe der letzten Jahrzehnte aber wandelte sich mancherorts das Geschichtsbewusstsein der Bewohner. So auch in Oberpullendorf, wo sich mehr und mehr Menschen mit dem Krebs und den „Krebslern“ identifizierten. In der Folge mutierte der Krebs immer stärker zur Symbolfigur für die Stadt.

 

Und wer weiß, würde das Stadtrecht heute verliehen, fände sich vielleicht (neben dem Löwen als Zeichen für die Kleinadeligen aus Oberpullendorf und der von zwei Ähren umkränzten Pflugschar als Zeichen für die bäuerliche Bevölkerung Mitterpullendorfs) auch der Krebs im Wappen der Stadt.

*Amtsrat Ernst Lex, Beamter des Eich- und Vermessungsamtes und Hobby-Historiker aus Leidenschaft, veröffentlichte Auszüge aus „Drinoczy´s Nachlese“( übersetzt, erläutert und ergänzt in der „Gemeinde“, dem Oberpullendorfer Pfarrblatt, Ausgaben Juni 1977, September 1977 und März 1978).

Entwicklung der Stadtgemeinde Oberpullendorf

Bereits vor 7000 Jahren dürfte der Raum Oberpullendorf besiedelt gewesen sein. Anhand ungewöhnlich zahlreicher archäologischer Funde konnte seit den 1930er Jahren der Nachweis erbracht werden, dass sich auf unserem Gebiet – nach den steinzeitlichen Kulturen – auch solche der Bronzezeit und der Früheisenzeit (700-400 v. Chr.) entwickelt hatten und bereits lange vor der Zeitrechnung Eisen verhüttet wurde. Aus der La-Tène-Zeit, der Zeit von 400 v. Chr. bis zum Einmarsch der Römer um Christi Geburt, stammen keltische Funde, die auf einen gewaltigen Ausbau der Eisenindustrie schließen lassen.

In den ersten nachchristlichen Jahrhunderten gründeten die Römer zahlreiche Siedlungen in unserer Region. Eine davon war wahrscheinlich in der Mitte zwischen Ober- und Unterpullendorf gelegen und soll „Bulla“ oder „Pulla“ geheißen haben. Als in der stürmischen Zeit der Völkerwanderung (Ende des 4. Jh.) germanische Völkerschaften ins römische Reich vordrangen, zogen sich die Römer allmählich aus dem pannonischen Raum zurück. Ihnen folgten im Laufe der nächsten Jahrhunderte, nach verschiedenen germanischen Stämmen, die Awaren und Slawen. Kurz vor dem Jahr 800 wurde das Awarenreich durch Karl den Großen zerstört, die Karolingische Ostmark errichtet und das Gebiet mit fränkischen und bayerischen Siedlern kolonisiert. Mit der Niederlage des syrischen Heeres in der Schlacht bei Pressburg im Jahr 907 gegen die aus dem Osten vordringenden Magyaren endete die deutsche Vormachtstellung in unserem Raum. Dieser wurde nun Teil des sich neuformierenden Staatsgebildes in Ungarn.

 

Zur Sicherung und Verteidigung ihrer neuen Westgrenze begannen die Ungarn im auslaufenden 10. Jahrhundert eine eigene Verteidigungslinie (Gyepü) anzulegen. Dieser dünn besiedelte Verteidigungsgürtel wurde künstlich schwer begehbar gemacht und von nomadisierenden, berittenen Grenzwächtern patrouilliert. An bestimmten Stellen der Linie befanden sich Durchlässe, durch welche der Ausgang in fremde Regionen möglich war. Einen dieser wichtigen und daher gut bewachten Punkte dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit die Gegend von Ober- und Mitterpullendorf gebildet haben. So ließen sich hier im Laufe der Zeit kleinadelige Grenzwächter nieder und gründeten eine freie ungarische Grenzwächtersiedlung. Diese Kleinadeligen waren direkt dem König unterstellt und mussten lediglich Grundsteuer leisten. Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts wurde der „Gyepü“ allmählich aufgegeben, da dieses System, wie die erfolglose Verteidigung gegen die Mongolen im Jahr 1241 zeigte, nicht mehr zeitgemäß war. An seine Stelle traten die standfesteren, aus Stein erbauten Grenzburgen. Während Oberpullendorf als freie kleinadelige Grenzwächtersiedlung keiner Grundherrschaft unterstellt war, gelangte Mitterpullendorf alsbald zur Burg und Herrschaft Landsee. Dadurch ergaben sich für die beiden Ortsteile jeweils unterschiedliche Betrachtungsweisen der Entwicklung.


Die erste urkundlich belegte Erwähnung der heutigen Stadt stammt aus dem Jahr 1225. Dieses Schriftstück von König Andreas II., dass der Abtei von Klostermarienberg frühere Schenkungen bestätigt, weiß von der Existenz eines „Pule majoris et minoris“ zu berichten. Dabei dürfte es sich allerdings um die heutigen Gemeinden Mitter- und Unterpullendorf handeln, da Oberpullendorf in dieser Zeit direkt dem König unterstellt war. In einer Urkunde des Jahres 1378 scheinen erstmals die ungarischen Namen „Felpula“ und „Felsöpulya“ auf. Ein Jahrhundert später findet sich der deutsche Name „Püllendorf“ in einer Urkunde der Stadt Ödenburg. Vor diesen Namensnennungen scheinen aber in den mittelalterlichen Dokumenten immer wieder „nobiles (Adelige) de Pula“ auf.

Von der wochenlangen, aber schließlich erfolglosen Belagerung der Burg Güns 1532 durch die Türken war auch die Bevölkerung von Oberpullendorf und Mitterpullendorf schwer betroffen. Zahlreiche Orte der Gegend wurden zerstört, die Bevölkerung umgebracht oder in die Sklaverei getrieben. In den verwüsteten und fast menschenleeren Dörfern wurden in der Folge Kroaten, aber auch deutsche Bauern angesiedelt.


Die Pullendorfer scheinen stets aufmüpfige Untertanen gewesen zu sein. Aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts existieren zahlreiche Schriftstücke, in denen sowohl Pullendorfer Adelige als auch Unfreie verschiedener Vergehen bezichtigt wurden. So war es im Jahr 1576 zu einem Prozess gekommen, weil die Pullendorfer jahrzehntelang einen regen Viehschmuggel nach Österreich betrieben hatten. Die Herrscher versuchten vergeblich, die Untertanen durch „Generalmandate“ – unter Androhung schwerster Strafen – vom „Handel ohne Dreißigstabgabe“ abzuhalten. Das erste Mandat gegen die „Pullendorfer Contrabandierer“ fällt ins Jahr 1575, drei Jahre später folgt das nächste. Ein neues Mandat gegen die „ungehorsamen Pullendorfer und Croaten“ von Kaiser Rudolf II. des Jahres 1592 beschuldigt diese, das kaiserliche Kammergut durch „hochschädliches Vieh-Hanthieren und Contrabandieren“ aufs Schwerste geschädigt zu haben. Aus einem Bericht des Jahres 1597 geht hervor, dass die Pullendorfer niemals die vorgeschriebenen Abgaben entrichteten und die zuständigen Beamten sogar mit Waffengewalt bedroht hätten. Bis zum Jahr 1687 erschienen in fast regelmäßiger Reihenfolge kaiserliche Mandate gegen den Vieh-schmuggel der Pullendorfer. Im Jahr 1578 erteilte Rudolf II. sechs Gemeinden der Herrschaft Landsee das Privileg, freie Jahrmärkte auch als Wochenmärkte abzuhalten. Obwohl es niemals den Markttitel führte, zählte nun auch Mitterpullendorf dazu. An der rechtlichen Lage der Gemeinde änderte sich trotzdem kaum etwas.


Erst die Bauernschutzgebung Maria Theresias (1776) brachte merkliche Erleichterung für die bäuerlichen Untertanen. Zwar hatte der Bauer noch kein freies Eigentum an Grund und Boden, jedoch wurden Robot und grundherrschaftliche Steuereintreibung beseitigt. Erwähnenswert scheint auch, dass Kaiserin Maria Theresia, laut eines Be-richtes des Jahres 1831, „… jahrelang Marillen aus Oberpullendorf wegen ihres vor-trefflichen Geschmacks und ihrer Schönheit bezogen habe“.


Ende des 16. Jahrhunderts war die Reformation, gefördert von den Grundherren, in den Raum von Oberpullendorf gekommen. Ein reformatorischer Prediger wirkte in Mitterpullendorf, er dürfte aber dann durch den Bocskay-Aufstand 1605-1609, in dessen Zuge Ober- und Mitterpullendorf zerstört wurden, seinen Posten verloren haben. Die evangelischen Prediger konnten bis 1637 ihre Tätigkeit ausüben, im selben Jahr begann jedoch die Rekatholisierung durch den Grundherrn Palatin Graf Nikolaus Esterházy.

Für die Pullendorfer Bauern brachte das Revolutionsjahr 1848 die langersehnte Befreiung; die Adeligen waren damit nur größere Grundbesitzer. Einige verkauften ihre Güter und zogen aus Oberpullendorf fort, da sie auch noch anderswo Grundbesitz hatten. Wiederum andere verarmten sogar in den folgenden Jahren. Lediglich Vertreter der Familie Rohonczy brachten es in der Folgezeit zu höheren Stellungen. 1853 wurde – trotz einer vorangegangenen ablehnenden Beurteilung – ein k.k. Steueramt in Oberpullendorf errichtet. Dadurch wurde ein wichtiger Grundstein auf dem Weg zur heutigen Stadtgemeinde gelegt. Ein weiterer Schritt dorthin war ein Jahr später die Errichtung einer Stuhlbezirksbehörde (entspricht einer heutigen Bezirkshauptmannschaft). Durch diese Ämterkonzentration in Oberpullendorf blieb Mitterpullendorf ohne jede administrative Funktion, was sich auf seine siedlungsmäßige Entwicklung nicht vorteilhaft auswirken konnte. Das Dorf erweiterte sich nur wenig; das Siedlungsbild zeigt auch heute ein recht bäuerliches Aussehen: Die Häuser stehen mit der Giebel-seite zur Straße, an die Wohnräume schließen häufig noch Wirtschaftsgebäude an. Eine bedeutsame Rolle kam Mitterpullendorf lediglich als katholische Mutterpfarre der gemeinsamen Pfarrgemeinde zu. Einen wirtschaftlichen Aufschwung für Oberpullendorf brachte eine von der k. u. k. Stadthalterei in Ödenburg erteilte Jahrmarktkonzession, wodurch es nun endgültig zum Mittelpunkt als Verwaltungs- und Gerichtsbezirk wurde. Selbst nach der Angliederung des Burgenlandes an Österreich im Jahr 1921 hielt man an dieser Verwaltungsstruktur fest, damit war eine wichtige Voraussetzung für die Stadterhebung von Oberpullendorf geschaffen worden.


In das Jahr 1890 fällt die Gründung der Ortsfeuerwehr Oberpullendorf durch Feldmarschall-Leutnant Baron Georg Rohonczy; 1908 wurde Oberpullendorf an die Sopron-Köszeger Eisenbahnlinie angeschlossen.


Im Ersten Weltkrieg dienten die meisten Oberpullendorfer Männer im ungarischen Regiment. Obwohl sie nicht direkt vom Krieg betroffen waren, errichteten engagierte Oberpullendorfer unter der Obhut und mit der finanziellen Unterstützung der Witwe des Barons Georg Rohonczy und des pensionierten Oberstuhlrichters Andreas Robicza im Kastell ein Notspital mit über 30 Betten. An die 200 Kriegsverletzte wurden hier behandelt und gepflegt. 37 Männer aus Oberpullendorf blieben auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges zurück.


Nach Kriegsende wurde im Frühjahr 1919 die Räterepublik unter Béla Kun ausgerufen. Bürgermeister und Gemeinderäte wurden durch ein nicht gewähltes Organisati-onskomitee aus „Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräten“ ersetzt und die Gendarmerie durch die „Rote Garde“ abgelöst. Nach dem Sturz der Proletarierherrschaft in Ungarn im August 1919 wurden in Oberpullendorf der frühere Bürgermeister und die Gemeinderäte wieder in ihren vormaligen Funktionen eingesetzt; die Oberpullendorfer Kommunisten entgingen durch die Fürsprache ihrer Gemeinde einer strafrechtlichen Verfolgung, nachdem sie ein schriftliches Versprechen abgelegt hatten, in Zukunft die Ruhe und Ordnung nicht mehr zu stören und nie mehr politisch aktiv zu sein.


Der Anschluss des Burgenlandes an Österreich ging nicht ohne Probleme von statten: Zu Beginn des Jahres 1921 mehrten sich die Proteste in Westungarn gegen den Friedensvertrag von Trianon; die vorwiegend magyarische Bevölkerung von Oberpullendorf fühlte sich von Wien in der Beschlussfassung völlig übergangen. Der Aufstand ungarischer Freischärler vermochte den Anschluss, der Ende November mit Hilfe österreichischer Gendarmerietruppen durchgesetzt wurde, aber nicht zu verhindern.

Der Verwaltungsbereich des Bezirkes hatte sich nach 1921 gegenüber der ungari-schen Zeit stark ausgeweitet. Nun konnte man langsam an den Ausbau des Bezirksvorortes herangehen. Zuerst wurde mit dem Bau des Krankenhauses begonnen, das im Jahr 1929 der Allgemeinheit feierlich übergeben wurde. Wenige Jahre später folgten der Bau von Beamtenhäusern und der Neubau des Amtsgebäudes, in welchem Bezirksgericht, Gendarmerie, Vermessungsamt und Post untergebracht waren.

Das dritte Reich hatte für eine Fortsetzung des bisher so erfolgreichen Aufbaues weder Zeit noch Gelegenheit. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges war das Bahnhofsgebäude von Oberpullendorf noch heftig umkämpft. Der russische Soldatenfriedhof in der Neugasse erinnert noch an diese traurige Begebenheit. In dieser Zeit wurde auch die Krankenanstalt durch die Kriegerereignisse stark in Mitleidenschaft gezogen; sie diente vorübergehend als russisches Militärlazarett.

In den Fünfzigerjahren kam es zu einer raschen Aufwärtsentwicklung des Bezirksvorortes. Verstärkte kommunalpolitische Maßnahmen in den Bereichen des Schul- und Wohnbaues, der Raumplanung, des Straßenbaues, der Kanalisation, der Müllbeseitigung und der Wasserversorgung waren nun notwendig geworden, die in den folgenden Jahrzehnten erfolgreich realisiert werden konnten.

Bis 1958 bildeten die drei selbstständigen Gemeinde Ober-, Mitter- und Unterpullendorf eine Verwaltungsgemeinschaft. In diesem Jahr wurden Ober- und Mitterpullendorf vereinigt; mit Unterpullendorf bestand weiterhin eine Verwaltungsgemeinschaft bis 1970. Im Jahr 1975 rüstete Oberpullendorf zu einem zweifachen Fest: Einerseits wurde vor 750 Jahren der Name der Gemeinde erstmals urkundlich erwähnt, andererseits wurde in diesem Jubiläumsjahr das Stadtrecht an Oberpullendorf als nunmehr siebente Stadt des Burgenlandes verliehen.

 

Die Stadterhebung stellte nicht nur eine Würdigung der bisherigen Leistungen dar, sie war Auftrag und Herausforderung zugleich, zu neuen Zielen der Weiterentwicklung aufzubrechen.